Überschrift: Eine Husqvarna oder was? Nein eine MV Agusta
Hallo zusammen. Hier mal ein Bericht über das klassische
> Männerspielzeug, genauso für Frauen geeignet: eine Husqvarna WRE 125.
> Sie ist für mich das Kind der Finanzkrise 2008. Zu dieser Zeit hörte
> man zum ersten Mal: Euer schwerverdientes Geld hat bald keinen Wert
> mehr. Das sollte das Stichwort sein und so reifte der Gedanke die
> Ersparnisse für den Gebrauchtkauf zu plündern. Nun muss man noch
> erklären: von dieser 125ziger gibt es noch zwei Geschwister. Alles aus
> der gleichen Familie nur für den jeweiligen Einsatzzweck abgestimmt.
> Da gibt es erst mal die brutale Schwester, Name:
> CR 125. Ein reines Wettbewerbs- Vollcross Gerät, 89,5 Kg. Böse, böse.
> Daraus entsteht dann die Enduro, die WR 125. Die hat dann eine
> Straßenverkehrszulassung, Licht, Tacho usw., 92,5 Kilo. Die Beiden
> dürften dabei so aus 40 PS schöpfen. Ja, und dann ist da noch die
> Kleine, die WRE,
> 108 Kilo, abgestimmt auf die 16jährigen. Die Kleine hat noch einen
> Zwilling, so gibt es die Cross – oder Supermotoausführung (die heißt
> SM). Optisch sind alle Modelle mehr oder weniger gleich, haben den
> gleichen Rahmen und auch den gleichen Motor. Aber beim Fahrwerk geht
> es schon los: die beiden „Großen“ sind hochwertiger ausgestattet,
> seien es die Laufräder oder die
> Vorder- und Hinterradaufhängung. Und während bei denen hochwertige
> Aluminiumteile für Schwinge und schraubbaren Heckrahmen spendiert
> werden, hat die WRE dies alles aus Stahl. Hört sich schlecht an, ist
> es aber nicht.
> Es kommt ja bekanntlich immer auf den Einsatzzweck an. In meinem Fall
> Enduro wandern und nicht dieses gnadenlose rumcrossen. Und da ist die
> Kleine ok.
>
> Nun möchte ich das Motorrad zunächst mal vorstellen: Das Beste am
> ganzen ist dieser geile, wassergekühlte Zweitaktmotor, der noch
> klassisch angekickt werden will. Er hört sich dabei an wie ein Echter,
> ist er auch. Dieses aggressive Räng, Räng, Räng, böse, böse. Man mag
> es, oder nicht. Also wer früher zur Hercules-Zündapp-Kreidler-Zeit
> diesen Klang gehabt hätte, der wäre ein Gewinner gewesen. Angefeuert
> wird das ganze über einen üppigen,
> auswaschbaren Luftfilter an dem ein Dell Orto PHBH 28 hängt (die
> CR/WR
> Modelle haben Mikuni TMX 38). Und während die Großen noch selber
> mischen müssen, wollte man das den 16- Jährigen wohl nicht zutrauen.
> Das gute Zweitaktöl wird über eine Frischölautomatik zugestellt. So
> spricht man dann
> von offiziellen 15 PS bei 9000 U/min. Man könnte schnell
> die
> Drossel in der Auspuffbirne entfernen, dann sind es knapp 30 Ps…….
> Auf jeden Fall macht der Motor richtig Spaß und man hat immer diesen
> Moto Cross Sound im Ohr. Es gibt eine Membraneinlaßsteuerung und eine
> Auslaßsteuerung, die bei der WRE elektrisch ist.
>
> Auch alles sonst ist hochwertig, seien es die Domino Griffarmaturen
> oder die bekannten üppigen Bremsen von Brembo (vorne 260ziger
> Scheiben, hinter 220ziger). Auch die Elektrik macht einen
> aufgeräumten Eindruck. Na ja, der Tacho, hier werkelt in dem Baujahr
> noch der Klassiker mit Tachowelle und wackelnden Zahlen des
> Tageskilometerzählers. Heute bei den neuen Modellen wird der kleine
> aber feine Digitaltacho spendiert. Vorne ist das klassische Endurorad
> mit 21 Zoll eingebaut, hinten 18 Zoll.
>
> Baujahr sollte das Stichwort sein. Meine ist Baujahr 2007. Mit dem
> Modell angefangen hat alles ca. 1990, da war es noch Cagiva. Cagivas
> lassen sich einfach nicht verkaufen, so bleibt es immer (leider). Aber
> man hatte ja die Namensrechte von Husqvarna übernommen. Und so ist die
> „Cagiva“ 125ziger eigentlich über die Jahre immer weiterentwickelt
> worden. Demnach passen auch viele Teile untereinander, gleichzeitig
> ist die Ersatzteilsituation entspannt. Trotz schärfster
> Abgasbestimmungen ist das Modell mit dem Zweitaktmotor immer noch
> käuflich. Wie das geht? Klar, Motoroptimierungen, aber auch
> Ausnahmegenehmigung zur Ausnahmegenehmigung wegen kleiner
> Stückzahlen. Daneben gibt es neuerdings noch ein Modell mit einem
> Yamaha Motor, dann natürlich mit (langweiligem) Viertakter, die heißt
> dann TE 125.
>
> Das Fahrwerk geht für meinen Einsatzzweck in Ordnung. An einer
> ellenlangen Stahlschwinge hängt ein abschmierbares Hebelsystem mit
> einem Zentralfederbein. Vorne im Gebälk hängt eine nichteinstellbare
> USD Gabel, Durchmesser 40 mm, 260 mm Federweg (die CR/WR Modelle sind
> mit einstellbarer, hochwertiger USD Gabel mit Durchmesser ab 45mm
> ausgestattet).
>
> Aber alles kein Problem: man muss nur im Auktionshaus lange genug
> beobachten. Beispiel die Aluschwinge. Diese kostet beim Freundlichen
> neu richtig, richtig Geld, weil es auch ein massives Kunstwerk ist. Im
> bekannten Auktionshaus tauchte sie dann irgendwann zum Bruchteil des
> Neupreises auf.
> Schnell noch neue Lager spendiert. Nun ist die Freude groß, die
> Stahlschwinge ist Vergangenheit.
>
> Im schlimmsten Fall ist Soziusbetrieb möglich, aber das ist schwierig,
> nicht nur wegen der arg schmalen Sitzbank. Schmale Sitzbank bedeutet,
> der gemeine deutsche Männerpo muss immer tapfer bleiben….
>
> Ob kalt oder warm, die Husky macht keine Startschwierigkeiten.
> Besonders im Gelände eine gern gesehene Eigenschaft. Zum Kaltstart
> stellt man den kleinen weißen Starthebel am Dell Orto Vergaser hoch.
> Das ist der gleiche, den man auch von anderen italienischen
> Motorrädern kennt. Die Lichtausbeute vom Scheinwerfer ist gut, die
> Blinker sind vollgummigelagert. Bin jetzt ca.
> 3000 Kilometer mit der Husky gefahren. Ärgernis macht die originale
> Batterie. Quasi nur für das Modell hergestellt ist sie relativ teuer.
> Trotzdem nicht haltbarer. Leider spielt die Lichtanlage bei defekter
> Batterie ein bisschen verrückt. Jetzt verrichtet ein preiswertes,
> handelsübliches Akku unauffällig unter der Sitzbank seinen Dienst. Ein
> Dell Orto ist immer ein guter Grund zum Ärgern: nach einer
> Wintersalzfahrt klemmte der Choke. Ich musste ihn komplett ausbohren.
> War nicht richtig gedichtet, oder was? Für lange Überlandfahrten ist
> die Husqvarna ungeeignet.
>
> Der Tank packt knappe 11,5 Liter Brennstoff. Knapp bei einem Verbrauch
> von
> 7
> Liter auf hundert. So ist man bei der Endurotour manchmal in der
> Zwangslage eine Kanisterreserve mitzuführen. Endurotour sollte das
> Stichwort sein. Wo fährt man legal mit einer Enduro?
>
> Man macht Roadbooktouren. Man kauft bei angepriesenen Endurotouren
> das Roadbook, das ist dann quasi die Eintrittskarte zum legalen
> rumcrossen auf
> Feld- und Waldwegen. Als Beispiel: letzten Dezember habe ich eine Tour
> gefahren, die hieß „Winterland 2012“. Man traf sich auf einem
> Waldparkplatz in der Nähe von Tilburg, Niederlande. Denke, dass so ca.
> 50 Leute mit Anhänger, Enduros, Brustpanzer, Ellenbogenschützer
> versammelt waren. Man teilt sich in kleine Gruppen zwischen 3 und 8
> Enduros und bekommt das Roadbook und Verpflegung übergeben. Danach
> kann man den ganzen Tag nach dem im Roadbook aufgemalten
> „Chinesenzeichen“ durch die versandete Einöde düsen.
> Wenn es Tage vorher gut geregnet hat, dann wird es spannend. Im
> Großen und Ganzen wird nicht auf letzte Rille bzw. Stollen gefahren,
> denn es heißt Enduro wandern. Abends werden die Roadbooks vom
> Veranstalter wieder eingesammelt. Es gibt keine Pokale……….
>
> So wurde irgendwann eine Roadbooktour in Nordfrankreich gefahren:
> unheimlich
> einsames weitläufiges Land. Dabei trafen wir in außergewöhnlicher
> Einöde pro Tag einen Menschen. So hatte ich für letztes Jahr
> beschlossen einfach auf eigene Kappe dort zu wandern. Hat dann auch
> geklappt. Ob es in Frankreich legal oder illegal ist? Keine Ahnung,
> habe bei den Ausflügen keinen getroffen, den man danach hätte fragen können.
>
> Es macht schon unheimlich Spaß, immer leicht wippend auf dem Fußraster
> stehend, am breiten Moto Cross Lenker ziehend. Immer den Blick auf das
> vor dir erscheinende Geländeprofil, Überhöhungen, Vertiefungen.
> Wasserlöcher kann man auch aus lassen…..das alles, ganz in Vertrauen
> auf den unendlichen Federweg des leichten Motorrades. Die Kupplung ist
> im Gelände ein gut abgestimmtes Handwerkzeug: bei richtiger Bedienung
> wird man aus jedem Loch rausgerissen. Deine Spielgefährtin ist die
> Leistung des agilen Zweitaktmotors unter dir, das ist Freiheit. Und
> für den Zweck die kurze Übersetzung gewählt, dann geht alles noch
> besser.
>
> Die Überschrift heißt: Eine Husqvarna oder was? Nein eine MV Agusta
>
> Nach Royal Enfield ist Husqvarna die zweite ununterbrochen
> Motorradproduzierende Marke der Welt und das seit 1903. 1987 übernahm
> Cagiva die Marke und verlegte den Stammsitz von Schweden nach Varese.
> Dort ist er heute noch. Denn 2007 wurde die Manufaktur an den
> pokallosen süddeutschen Hersteller verkauft. Dabei änderte sich auch
> die Farbe: Husqvarna Motorräder dominieren heute in Rot, schwarz,
> weiß. Meine Kleine gelb- blaue ist aber noch eine richtige
> Italienerin: denn nun legen wir den Blick auf das Typenschild und da
> steht ganz groß zur Überraschung aller: MV Agusta ist der
> Fahrzeughersteller. Quasi die Nobelmarke von Cagiva.
>
> Wie geht es weiter? In Zukunft wird es sicher wieder die ein oder
> andere Endurotour geben. Oder ab und an einfach nach Feierabend auf
> Straßen rund um das Dorf wird Spaß mit dem Zweitakter zelebriert. Bei
> Nachfrage an meinem rührigen Händler Moto Rumpf in Köln wie lange man
> den Kolben fahren sollte, meinte der so zwischen 10000 und spätestens
> 15000 Kilometer. Der erstere Fall wird Ende der Saison eintreten: das
> nennt man Winterarbeit.
>
> Klar, alles geht immer noch schneller, noch stärker, noch besser.
> Manche glauben sogar, eine Enduro muss orange sein…. Trotzdem, die
> Husqvarna WRE
> 125 ist ein schönes Spielzeug. Und auch wenn man nicht viel damit
> fährt ist der Anblick der Schönen im Stall ist jedes Mal ein kleiner
> Augenschmaus.
> Und
> der Finanzkrise zeigt man dabei eine lange Nase: steuerfrei, wie es
> sich für 125ziger gehört.
>
> Ok, bis später,
Ich hatte den Bericht kurz vor der Übernahme durch KTM geschrieben, wie die Zeit vergeht.....viele Grüße
