Endurowandern im Piemont vor 12 Jahren, immer noch aktuell?

Vom Reisebericht, über die Reisepartner-Suche, bis zum Reiseziel-Austausch ist hier alles richtig. Egal ob selbstorganisiert oder nicht.

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Viktor50
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Endurowandern im Piemont vor 12 Jahren, immer noch aktuell?

Beitrag von Viktor50 »

Hallo zusammen, hier ein Bericht , den ich vor gut 12 Jahren für eine kleine Zeitung geschrieben habe. Thema Endurowandern im Piemont

Eine Italienreise, aber diesmal anders
Enduroreisen im Piemont

Vielleicht kann sich noch jemand an die Story aus dem letzten Jahr erinnern, hatte ich damals über meine gebrauchte Neuerwerbung eine Husqvarna WR 360 geschrieben.Ein kleines Zitat aus dem Bericht: Der Tankinhalt der Husky, nur acht Liter, und das wird irgendwann auf Schotterwegen in den Pyrenäen für Ärger sorgen.
Und so kam es dann auch, aber nicht die Pyrenäen wurden das Reiseziel, denn wie heißt es so schön, und ewig lockt in diesem Fall nicht das Weib, sondern Italien. Ausgesucht wurde speziell das Piemont, sollte es da doch super geile mit Enduro befahrbare Militärpfade aus dem ersten Weltkrieg geben.Da man solch eine Tour noch nie gemacht hatte gingen nun viele Sachen durch den Kopf.

Erstes Problem, keiner der Kumpel konnte mit, und so ging es irgendwann mutterseelenallein, die Husky auf dem Anhänger, Richtung Italia. Anhänger muß sein, denn mit einer kurz übersetzten Pseudo-Enduro Namens Vollcross und über die Bahn ist nicht gerade prickelnd, wenigstens nicht langfristig. Aber es gab auch noch andere Probleme.War für die Aktion das Piemont überhaupt das Richtige? Alles was ich darüber wußte kam nur aus Zeitschriften oder was man im Internet darüber lesen kann und das ist leider nicht ganz soviel.Da war dann auch immer wieder die Rede von aufgebrachten Anwohnern und Carabineries, wegen der Masse von Enduristen.Und wie sind die Strecken überhaupt? Superschweres, materialmordendes Gelände, oh Gott, bitte nicht! Wie läuft der hochgezüchtete Zweitakter auf 2500 Meter Höhe, welches Werkzeug nimmt man dann mit, und da war das ewige Problem von dem zu kleinen Tank.Findet man die Strecken überhaupt und muß man womöglich an Horden von fluchenden, schimpfenden Bergwandern vorbeischleichen bis die in der Stellung gereizte, viel zu fette Hauptdüse die schon verkokte Zündkerze irgendwann mit Sprit wässert und man dann beim Gasgeben nur noch dieses dumpfe, abklingende böööööööööö vom Motor hört und die ganze Kiste nur noch ausrollt..... , da kennt die Phantasie manchmal keine Grenzen.
Nicht zu vergessen die Husky Elektrik welche nur noch Attrappe war, und Blinker sollte es auch keine geben, wozu auch im Gelände. Und hoffentlich kennen sich die Carabineris nicht mit TÜV-Plaketten aus. Da waren noch die Storys das Schild“Durchfahrt verboten“ steht nur Proforma,wenn aber ein Paragraph darunter steht dann ist es wirklich verboten. Problemüberladen ging es also Richtung Turin und da rechts ab ins Valli di Susa und dann vor Oulx an der Landstraße war ein Campingplatz, Don Bosco. (Also, ich schreib so genau, normalerweise interessiert sich ja kein Mensch wie der ein oder andere Camping heißt aber mit der Story soll auch so eine Art Gebrauchsanweisung für die Sache Enduroreisen im Piemont erstellt werden. wobei einige werden es mir bestimmt verübeln.....und dann kommen noch mehr und dann gibt es irgendwann wirklich massiv Streckensperrungen.......)
Also ich rollte so auf dem Platz und siehe da direkt 5 Enduros auf einem Haufen und weiter hinten standen auch noch welche, hier war es richtig, Treffer.Die Jungs erzählten sofort von Supertouren und jeden Tag eine neue Strecke.Und Streckensperrungen? Ja,das gibt´s,da ist eine Schranke und dann fährt man da eben nicht.Hörte sich alles beruhigend an.Also ab in den Ort und Wanderkarte kaufen,nämlich die von Valli di Susa von Instituto Geografico Centrale,1:50000,und das sollte die nächsten Tage die Bibel sein.Vor allen Dingen die vielen weiß eingezeichneten Straßen steht doch in der Legende darüber zu lesen: Strada non asfaltata, bzw. gibt es auch darauf eine Steigerung, aber diesmal auf deutsch: Unebene Straße mit Schwierigkeiten.Da läuft einem ja das Wasser im Munde zusammen.
Jetzt erstmal Fahrgefühl beschreiben, vierter Tag, Sonne erst ab Mittag. So soll heute nur in die nähere Umgebung gefahren werden, nicht weit, auch ohne Kanisterreserve in Form vom Fünfliterkanister im Rucksack.Es geht los, 4 Minuten über Landstrasse bis Oulx ,Husky im letzten Gang Halbgas,immer weit vorausschauend,denn überall kann der Carabinieri lauern.Auf dem Camping geht das Gerücht dieses Jahr wären die Jungs besonders scharf auf den fehlenden Rückspiegel ,ich schwöre,nächstesmal hab ich so nen klappbaren Endurospiegel an Bord. Es geht nach Oulx rein über die Brücke dann links,und schon Abmarsch hoch,zuerst noch leise an Häuser vorbei,der Weg wird immer schmäler dann der Wald,dann über Wiesen,die Hushy schnurrt und halbgas geht es über Schotter durch die sommerliche Landschaft ,Am Ende nur noch ein Fußpfad durch einen Wald dann mit Trialeinlagen zum Fluss runter.Unten am Fluss tut sich die ultimative Geröllautobahn auf,kleine weisse Steine, und die Husky fliegt darüber,dritter,vierter Gang,immer hochschalten,einfach laufen lassen,am Fluss vorbeifliegen,leicht auf den Rastern stehend.Die Husky bügelt alle Unebenheiten glatt,kleine Sprünge,das ist irgendwie Freiheit.
Aber eigentlich soll es doch vom Tal in die Berge gehen,also durch einen kleinen Ort geschlichen,immer höher noch Asphalt und da ist er wieder der Schotterweg.Und plötzlich das Schild und da steht zu lesen,die Strasse zum Refugio(Hütte) ist frei.Danke für die schöne Einladung und los geht’s. So Leute, und nun stellt euch den steilsten Weg vor den ihr kennt.Es war einfach supi.Die Husky muss stellenweise in allen Gängen voll ausgedreht werden und dann drücken 52 Zweitakt-Ps die Stollen in den Waldweg und es geht immer weiter hoch durch den Wald, dann eine Schneise, kein Weg, nur hoch ,die Husky muß kämpfen, das Fahrwerk ist in Wallung der Fahrer auch.Der Blick starr vor dem Vorderrad,das Gelände wird immer schwerer,stellenweise ist es so steil,würde man versuchen stehenzubleiben,dann hätte man ein Problem.Auf einem geraden Stück anhalten,Luft holen,am Motor runterschauen,alles ist ok,weiterfahren? Vergiß es,alleine hier,aber reicht doch auch,also abwärts,im Stehen Gewicht leicht nach hinten,im Sitzen auf der Hinterradbremse durch den groben Schotter.Die Husky kommt quer,Bremse los und so ging es weiter runter bis man wieder normal fahren konnte.

So wurde dann jeden Tag eine größere Tour unternommen.Das Wetter war echt angenehm,morgens trotz Sonnenschein fast schon frisch,dafür nachmittags nicht die Bullenhitze,gerade richtig zum Endurofahren.Zu jeder Tour wurde auch immer ein Rucksack beladen,wie gesagt mit fünf Liter Gemisch,wie gehabt 1:40 vollsyntetisch da ist man auf der sicheren Seite.Sonst noch die Wasserflasche ein paar Müssliriegel mit der Hoffnung das man nie wegen Defekt im unwegsamen Gelände übernachten müsste und die Müssliriegel dann das Frühstück darstellen würden.Noch etwas Handwerkszeug um wenigstens einen Gaszug wechseln zu können,Zündkerze und natürlich die Bibel.Das Mopped hatte die Tour eigentlich gut überstanden.Zwischendurch fing der linke Gabelholm mal an zu lecken.Nachdem ich dann die obere M 4 Entlüfterschraube geöffnet habe konnte man richtig hören wie der angesammelte Überdruck entwischen ist
.Danach war die Gabel wieder dicht.Das ist ein Phänomen was man auch nur von Moto-Cross Gabeln kennt ,baut sich doch da irgendwie durch dieses ewige starke Pumpen ein Überdruck auf den man ab und zu ablassen muß.Im Grunde fährt man aber ganz selten Vollgas und die Wege sind vergleichbar mit mehr oder weniger gut befestigten Wirtschaftswegen aus unseren Regionen so wurde trotzdem immer in voller Montour gefahren,d.h.Knieschoner,Brustpanzer,Ellenbogenschützer usw.Irgendwann stellt man sich die Frage ob es nötig ist.Frage bitte streichen,landet man doch irgendwie immer in schweres Gelände,genauso wie an dem einen Tag.Ging es doch einen gröbst geschotterten Hohlweg runter,plötzlich geht die Husky übers Vorderrad weg, direkt gefolgt vom Fahrer.Krach, mit Knie an Stein geschlagen.Macht nix, denn da war zwischen Stein Hose Knie noch der Knieschoner.

Apropos gut befestigte Wirtschaftswege, ging es am 2.Tag an die obligatorische Fahrt über die Assietta-Kammstrasse, immer so zwischen 2100 und 2500 Meter, ca 40 Kilometer und Panoramablick wie auf dem Alpenkalender in Schwiegerpapas Wohnzimmer.Hier trifft man dann immer mal wieder „normale“ Motorradfahrer die ihre gequälten Mopeds über den Schotter bewegen.Es wurde dann an markanten Stellen ein kleiner Plausch gehalten und irgendwann Tschüs und auf den Crosser und davonfegen, das ist, kleine Wiederholung, irgendwie Freiheit.
Einstieg zur Tour ist in Susa,dann Colle delle Finestre hoch.Irgendwo entdeckt man dann die Gabelung Richtung Sestriere.Da im Ort wurde dann auch getankt,das einzigste Problem wie immer in Italien es noch vor der Mittagspause um 12.30 zu schaffen.Und weil die Tour so schön ist alles wieder zurück,aber vorher ging es noch Schleichfahrt durch Setriere Richtung Fenestrelle und dort am Ortsausgang über den großen Parkplatz und dann immer nur dem (Schotter)weg folgen. Und danach schraubt man sich langsam hoch an leeren Skilifte vorbei, immer höher schnell wurde die Baumgrenze erreicht,der Weg war langsam nur noch Fahrrinne die wohl bei Regen als Abfluß dient,die Aussicht entzückend,Sestriere lag unten ganz klein.Da waren wir beiden ganz allein ,die Hushy und ich.Auf den Höhen dann auch nur noch Alpensiluette,Einsamkeit und das vertraute bellen vom Zweitakter.

Die Story vom ersten Tag.Zum eingewöhnen und kennenlernen sollte es am ersten Tag ,herzklopfenderweise,den Monte Jafferau bzw. den Monte Pramand herauf.Alles Namen die bei einem echten Endurofahrer/in dafür sorgen werden das ihm/ihr das Wasser im Mund zusammenlaufen wird,oder ähnliche Sachen....Vom Campingplatz konnte man ganz oben eine Stelle am Felsen sehen wo die alte Militärstrasse langeht.Also man sieht schon alle Touren waren im Grunde nah bei so das die kurz übersetzte Enduro nie sehr lange über irgendwelche Straßen gequält werden musste.Es ging also zuerst zum Monte Pramand.Im Reiseführer steht,17 Kehren,1300 Meter Höhenunterschied,15% Steigung,Streckenlänge 13 Kilometer,altes Militärsträßchen mit festem Unterbau.Am Ende war dann auch das gleichnamige alte Weltkriegsfort Pramant.Wie alle diese alten Forts hatte auch dieses eine ultra geheimnisvolle Ausstrahlung.Weiter ging es zum Monte Jafferau.Um aber dahin zu gelangen muß man irgendwann durch diesen völlig unbeleuchteten engen, 1400 Meter langen Tunnel. Und wenn das Motorrad nun kein Licht hat, denn der vordere Scheinwerfer ist nur eine Attrappe, was dann? Ich hab’s versucht, zuerst ist ja auch noch vom Eingang Licht da, aber plötzlich ist es nur noch stockdunkel, es ist feucht, es stinkt fürchterlich nach Zweitaktabgase und das Geräusch vom selbigen Motor ist da ätzend.Wie findet man nun in der absoluten Dunkelheit Orientierung? Und zwar an der Tunnelwand an der man ganz eng vorbeifährt so wird dann der ausgestreckte Ellenbogen als Taststock umfunktioniert .So bin ich an der Wand vorbeigerutscht aber irgendwann hab ich diese Sinnlostat abgebrochen und mich wieder zurüchbewegt,um danach froh zu sein wieder im Hellen zu stehen.So mußte die Tour um ein paar Tage verschoben werden.Zurückgekehrt wurde mit einer Taschenlampe.Diese zwischen den Zähnen befestigt ging es dann ohne Probleme durch den dunkeln Tunnel..Belohnt wird man danach mit einer Fahrt über einen einzigartigen Bergkamm oberhalb der Baumgrenze

.Und hat man weiter unten vielleicht noch ab und zu einen Wanderer getroffen,hier oben nicht mehr.So war es eigentlich die ganze Woche ,hier und da Wanderer und einmal am Tag eine Gruppe von Endurofahrern,also alles halb so schlimm.Ausser die Lago Nero Tour,es war Samstag und da waren relativ viele Wochenendausflügler unterwegs.Ein Highlight war auch die Fahrt zum Sommeiller.Es geht am Ende durch Schneefelder und man ist auf 3000 Meter.Vorher war die Aussicht so grandios,viel zu schade zum schnellfahren,An einer Stelle hatte eine Mure eine Kehre zugeschüttet.Hier war dann Schluß für den Normalreisenden,nicht aber für die Husqvarna.......,die auf 3000 Meter sogar noch Leerlauf hatte.

Und hatte man nach einer langen Tagestour am Spätnachmittag noch Lust etwas rumzucrossen, kein Problem.So wurde dann, zum Direktverzehr sozusagen, einfach in der nächsten Umgebung vom Campingplatz rumgefahren, sei es am Fluß oder im Berg von nebenan. Irgendwo gab es immer ein Gelände.So hab ich dann auch gesamt 70 Liter Gemisch verbraten. Beendet wurde die Tour pünktlich am letzten Tag durch die Husky selber, wollte die Kleine zum erstenmal einfach nicht anspringen.Hatte ich mich schon vorher gewundert weil soviel Kühlwasser fehlte war alles beendet als plötzlich beim kicken Wasser aus dem Auspuff lief.Ach ja,sind die ganzen Motorradzeitungen ja voll von Reiseveranstaltern die Endurotouren ins Piemont organiesieren.Ich finde das Geld kann man sich wirklich sparen, wie heißt es doch, selbst ist der Mann/Frau.Denn andere Strecken fahren die auch nicht.Wie geht es jetzt weiter? In einer Endurozeitung stand: Im italienischen Friaul ist die Welt noch in Ordnung, zumindest für Endurofahrer.........
Viele Grüsse von Viktor

Wie ist das den heute in dieser Gegend?
Ok, bis später, Viki :wink:
Zuletzt geändert von Viktor50 am 04.01.15 - 19:20, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Endurowandern im Piemont vor 12 Jahren, immer noch aktue

Beitrag von x-crosser »

Sehr schöner, bildlicher Bericht, Danke :heba:

Die Gegend ist der Hammer und auch mit schwererem Gerät perfekt.
Lago Sommeiller ohne Schnee bis hoch..
Lago Sommeiller ohne Schnee bis hoch..
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Blick aus dem Zelt
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Freiheit sichtbar gemacht
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Spannende Bauten
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Der kleine braune Punkt auf der Straße vor dem Tunnel ist n VW Bus
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Ehrfurchtgebietende Gegend
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